Begrenzte Sicht

Wo führt dieser Blogbeitrag hin? Tja, ich weiß es nicht. Nicht selten sitzt man als Künstler vor leeren Seiten eines Blatt Papiers oder schlüpft in ein Kostüm, um zu sehen was entstehen wird. Unzählige Seiten habe ich geschrieben, welche nur noch verstaut in einer Kiste liegen. Ich bin in unterschiedliche Rollen geschlüpft, welche sich alle wieder verabschiedet haben. Ich befinde mich in einem unvorhersehbaren und ständigen Prozess des Annehmens und des Loslassens. Welche Rolle spielt der Clown dabei? Was sagt der Buddhismus dazu? Und welche Erkenntnisse lassen sich daraus ziehen? Das alles erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag.

„Ich habe keine Vorstellung von dem was kommt, sage aber ja.“ Dafür steht das ATELIERtausendsassa und meine Persönlichkeit. Der Clown ist mein persönlicher Schlüssel zu dieser Haltung. Er akzeptiert seine Fehler, lacht über seine Missgeschicke und findet gleichzeitig Freude darin. Ein Clown ist Meister der Improvisation, er lebt im Moment, ohne vorgefertigte Pläne und Erwartungen. Er beugt sich den äußeren Erwartungen, wenn er will, oder stellt diese auf den Kopf.  Seine Unbefangenheit führt uns an unsere Grenzen, manchmal sogar darüber hinaus.

Immer wieder erlebe ich, dass Menschen das Thema Angst ins Spiel bringen, wenn ich ihnen von meinem Clown-Dasein berichte. Betrete ich als Clown die Bühne, nehme ich einen Mix aus Emotionen im Publikum wahr. Und hierauf fußt meine Kunst, meine Philosophie des Clowns und meine Persönlichkeit: Ich liebe und lebe Emotionen. Sie sind die Essenz des Lebens und ein wichtiger Teil des menschlichen Erlebens. Sie sollten nicht verdrängt, sondern verstanden und integriert werden.

Für mich ist der Clown nicht nur eine Rolle, die ich spiele, sondern eine Lebensweise, die ich anstrebe. Es ist eine Reise ohne festes Ziel, aber mit unzähligen wertvollen Begegnungen und Erfahrungen entlang des Weges.

Ein buddhistischer Clown
Auch der Buddhismus, der meinen Lebensweg begleitet, bietet mit seinen Lehren eine tiefgründige Praxis und Auseinandersetzung mit dem Leben. Emotionen werden hier nicht als etwas Negatives betrachtet, sondern als etwas, das mit Achtsamkeit zu erkennen und zu verstehen ist. Der Buddhismus lehrt, dass Anhaftungen, Erwartungen und das Vermeiden von Fehlern und Emotionen zu Leid führt.

Für mich ist der Clown die Verkörperung vieler buddhistischer Lehren. Seine unerschütterliche Akzeptanz des Augenblicks und die Fähigkeit, über seine eigenen Missgeschicke zu lachen, spiegeln Teile des Buddhismus wider. Der Clown lebt im Hier und Jetzt, ohne an Erwartungen oder Wünschen festzuhalten, was ihn zu einem lebendigen Beispiel der ersten und zweiten edlen buddhistischen Wahrheit macht – dass das Leben Leiden beinhaltet und dass dieses Leiden durch Anhaftung entsteht. Indem er in jeder Situation mit unvoreingenommener Offenheit reagiert, zeigt er, wie wir durch das Loslassen inneren Frieden finden können, ganz im Sinne der dritten edlen Wahrheit, der Wahrheit über das Ende des Leidens.

Durch das Nachdenken über die Zusammenhänge der clownesken und buddhistischen Philosophie, erlebe ich eindrucksvolle Momente der Erkenntnis, welche sich in meiner Lebensansicht niederlassen und verfestigen. Das Leben ist vielfältig und bunt. Sich selbst als Teil dieser Vielfalt wahrzunehmen und zu akzeptieren, mit allen Stärken und Schwächen, und sich ernst zu nehmen, mit allen Bedürfnissen, fördert ein erfülltes Leben, welches irgendwann Enden wird. Vieles ist möglich und noch mehr unmöglich. Wir leiden unter dem Versuch, Harmonie und Verlässlichkeit zu schaffen. Darum versuchen wir das Leben zu strukturieren. Wir rahmen es ein und schließen dadurch anderes aus. Wir glauben, der Rahmen bietet Sicherheit. Wir glauben, in diesem Rahmen tolerant, offen und gut zu sein und bewerten Menschen und Aspekte, außerhalb dessen, als inakzeptabel, falsch, oder wir ignorieren sie.

„Wir rahmen das Leben ein und schließen dadurch anderes aus.“

  • Der Tod befindet sich außerhalb des Rahmens.
  • Menschen andere Kulturen und diejenigen mit Migrationshintergrund befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Queere Menschen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Vegan lebende Menschen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Menschen in einvernehmlich nicht monogamen Beziehungen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Menschen die fremdgehen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Geschiedene Menschen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Nicht verheiratete Menschen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Kinderlose Paare befinden sich außerhalb des Rahmens. 
  • Frauen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Übergewichtige Menschen befinden sich außerhalb des Rahmens.
  • Menschen mit Behinderung, ob seelisch oder körperlich, befinden sich außerhalb des Rahmens.

Irgendwie fallen wir alle aus dem Rahmen. Das Leben lässt sich nicht einrahmen. Die gewünschte Ordnung gibt es nicht. Alles ändert sich unaufhörlich. Wir wissen nicht, was in den nächsten Sekunden passiert. Es gibt keine Sicherheit. Das Leben ist unvorhersehbar. WER DAS WAHRE LEBEN MÖCHTE, MUSS AKZEPTIEREN, DASS ES JENSEITS DER BEGRENZUNG ZU FINDEN IST!

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