Kommunikation verstehen – Das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver

Es gibt unzählige und darum keine allgemeingütige Definition darüber, was Kommunikation ist. Im Lexikon der Psychologie wird Kommunikation folgendermaßen definiert:
„Kommunikation bezeichnet einen Prozess, in dem ein Individuum bzw. eine Gruppe von Individuen Informationen über Ideen, Gefühle und Absichten einer anderen Person bzw. einer Gruppe von Personen übermittelt. Neben dem Informationsaustausch sind dabei motivationale, emotionale und soziale Aspekte bedeutsam, sodass Kommunikation über die reine Übermittlung von einer Botschaft hinausgeht.“ (Wirtz, 2021).

Während wir mit anderen Menschen kommunizieren, spielen sich viele, meist unbewusste Prozesse ab. Um diese komplexen Vorgänge beschreiben und verstehen zu können, gibt es verschiedene kommunikationswissenschaftliche Theorien. Aus diesen Theorien entwickelten sich verschiedene Kommunikationsmodelle. Modelle sind vereinfachte Darstellungen, welche sich meist nur auf einen Teil der theoretischen Grundlage beziehen. Bekannte Kommunikationsmodelle sind:

  • Das Eisbergmodell, welches ursprünglich von Sigmund Freud entworfen wurde und durch Paul Watzlawick einen Transfer in die Kommunikationswissenschaft erlebte
  • Die fünf Axiome der Kommunikation (Paul Watzlawick)
  • Das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun
  • NLP – Neuro-Linguistisches Programmieren

Vielleicht werde ich in weiteren Beiträgen auf die einzelnen Modelle genauer eingehen. In diesem Blogbeitrag möchte ich mich vorerst auf das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver beziehen, welches sich als Grundlagenmodell vieler weiterer Theorien und Modelle einen Namen gemacht hat.

Das Ziel und der Einsatz von Kommunikationsmodellen
Kommunikationsmodelle finden in verschiedenen Bereichen ihren Einsatz. Beispielsweise in beratenden oder therapeutischen Settings, in Werbung, Personalmanagement oder im Verkauf. Aber auch im privaten Kontext kann Wissen über kommunikative Strukturen hilfreich sein und zur Stärkung sozialer Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen.

Eine junge Disziplin, welche diese Modelle in ihrer Arbeit bedient, ist die Kommunikationspsychologie. Kommunikationspsychologen /-psychologinnen verfolgen das Ziel, die Komplexität von Kommunikation zu verdeutlichen und verständlicher zu machen, damit Kommunikationsstörungen minimiert oder behoben werden können. Charakteristisch untersucht die Kommunikationspsychologie, wie sich Einflussfaktoren und menschliches Verhalten auf die Kommunikation auswirken und welche Ergebnisse und Folgen sich daraus ergeben können.

Das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver
Claude E. Shannon und Warren Weaver waren US-amerikanische Mathematiker. Sie entwickelten in den 1940er Jahren das Sender-Empfänger Modell, welches aufgrund seiner einfachen Darstellung, für viele wissenschaftliche Theorien und Modelle als Grundlagenmodell der Kommunikation anerkannt wird. Das Modell betrachtet Kommunikation sehr technisch und konzentriert sich auf den Übertragungsweg von Informationen zwischen Sender und Empfänger, ohne dabei die Bedeutung der Botschaft zu behandeln (Rohner, 2020).

Ich möchte euch zunächst das Modell in vier Schritten erläutern und im Anschluss auf mögliche Störfaktoren eingehen, welche bei der Übertragung von Informationen und somit in der zwischenmenschlichen Kommunikation auftreten können.

Schritt 1: Der Sender führt seine Gedanken zu einem Signal (einer Nachricht) in Sprache, Schrift oder Körpersignale zusammen. Er codiert die Nachricht.

Schritt 2: Über einen (gewählten) Kommunikationskanal schickt der Sender die codierte Nachricht an den Empfänger.

Schritt 3: Der Empfänger der Nachricht entschlüsselt die empfangen Signale für eine ihn verständliche Information. Er decodiert die Nachricht.

Schritt 4: Die decodierte Nachricht bildet die Grundlage für die Reaktion des Empfängers, der dann die Rolle des Senders einnimmt.   

Mögliche Fehlerquellen beim Kommunizieren
Während der Übermittlung von Nachrichten kann es zu verschiedenen Störungen kommen. In kommunikativen Abläufen zeigen sich diese beispielsweise in Form von Missverständnissen. Das Sender-Empfänger-Modell bietet eine einfache Möglichkeit, um mögliche Fehlerquellen zu identifizieren. Anhand der oben beschriebenen Schritte, lassen sich diese gut verdeutlichen und bieten somit eine einfache Form der Auseinandersetzung und Steuerung.

Fehler bei der Codierung
Wenn Sender und Empfänger nicht über dieselben Codes verfügen, kann eine gesendete Nachricht vom Empfänger nicht richtig entschlüsselt werden. Die vom Sender vorgenommene Codierung ist dem Empfänger nicht ausreichend angepasst, oder eine Anpassung ist nicht möglich. Verschiedene Beispiele lassen sich hier aufführen: Kulturelle und sprachliche Unterschiede, das Alter, Fachsprache, Alltagssprache und Slang. Stichwort: Symbolischer Interaktionismus (1)

Fehler bei der Signalübertragung
Die codierte Nachricht des Senders wird über einen bewusst oder unbewusst gewählten Kommunikationskanal an den Empfänger geschickt. Durch Lautsprache, Gestik oder Mimik, per Brief, Telefon, Plakate, um einige Übertragungswege zu nennen. Übertragungswege unterliegen einem starken äußeren Einfluss. Zum Beispiel der Umgebung, Zeit, Lärm oder der Technik.

Fehler bei der Decodierung
Auch hier gilt, wenn Sender und Empfänger nicht über dieselben Codes verfügen, kann es zu einer fehlerhaften Entschlüsselung der Nachricht kommen. Der Empfänger entschlüsselt die Nachricht für eine ihn verständliche Information. Das bedeutet, dass alles, was der Empfänger wahrnimmt – sei es Gehörtes, Gesehenes oder Gefühltes –seiner persönlichen Realität und Wahrheit entspricht. Stichwort: Sozialer Konstruktivismus (2)
Neben diesem Aspekt, können hier auch noch motivationale Faktoren beim Empfänger genannt werden: Interesse/Desinteresse, Lust/Unlust, usw.

Wie ihr sehen könnt, können sich bereits bei diesem, sehr technischen Modell der Übertragung von Nachrichten, viele Störungen einschleichen. Dieses Kommunikationsmodell überzeugt durch seine Einfachheit, Verständlichkeit und seinen hohen praktischen Nutzen.

Vermeidung von Fehlerquellen
Bevor ich mögliche Aspekte zur Vermeidung von Fehlerquellen erläutere, möchte ich auf einen grundlegenden Gedanken zur Anwendung von Kommunikationsmodellen im (beruflichen) Alltag hinweisen. Einige Kommunikationsmodelle unterliegen scharfer Kritik. Teils werden sie als unnatürlich oder auch manipulierend wahrgenommen. Einige Speaker und Content Creator versprechen große Einflussnahme oder werben damit, Mitmenschen durchschauen und steuern zu können. Es sei davor gewarnt, sich diesen Botschaften blind auszusetzen und darauf zu vertrauen. Auch bei Werbe- und Marketingstrategien finden Kommunikationsmodelle ihren Einsatz, um die Kaufkraft der Verbraucher zu stimulieren. Nichtsdestotrotz lohnt sich eine Auseinandersetzung mit Modellen, Konzepten und Phänomenen der Kommunikation. Sie basieren auf überprüften und wissenschaftlich fundierten Forschungen. Darum ist es mir ein Anliegen, dieses Wissen zu teilen, Menschen zu sensibilisieren, zu stärken und zu verbinden.

Schauen wir uns nun anhand des Sender-Empfänger-Modells einige der vielen Möglichkeiten an, um Fehlerquellen zu vermeiden und Kommunikation besser gelingen zu lassen. Kommunikation kann als gelungen betrachtet werden, wenn die Nachricht des Senders vom Empfänger richtig entschlüsselt wurde. Dies setzt voraus, dass beide Parteien über dieselben Codes verfügen und es während der Übertragung zu keinen Störungen gekommen ist. Die Verantwortung hierfür liegt bei Sender und Empfänger und soll in folgender Grafik dargestellt werden:

Neben der Eigenverantwortung von Sender und Empfänger, spielen auch äußere Einflüsse für eine gelingende Kommunikation eine wichtige Rolle. Sie sind nur bedingt beeinflussbar oder wählbar. Folgende Beispiele können den Kommunikationskanal beeinfluss:

Kritik am Sender-Empfänger-Modell
Das Sender-Empfänger-Modell ist einfach und praktikabel. Grundlegende Eigenschaften der Kommunikation, so wie störende Einflussfaktoren lassen sich gut aufzeigen. Es gibt jedoch weitaus mehr Einflüsse in der Kommunikation, welches dieses Modell nicht aufzeigt. Das Modell von Shannon und Weaver konzentriert sich auf die technischen Abläufe der Kommunikation und behandelt keine Beziehungsaspekte. Es spielt also keine Rolle, ob es sich bei der Botschaft um ein Liebesgeständnis oder um ein Streitgespräch handelt. Durch den Grundlagencharakter fand das Modell in vielen wissenschaftlichen Theorien und weiteren Modellen Einzug und wurde durch individuelle Faktoren der Gesprächspartner, beispielsweise Emotionen, Beziehungen und Charaktermerkmale ergänzt.

Schlusswort
Kommunikation ist Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Sie dient dem Austausch von Informationen und geschieht aus unterschiedlichen Motiven. In der Wissenschaft gibt es viele Theorien darüber, wie und aus welchen Gründen Kommunikation stattfindet. Mit Modellen werden diese komplexen Vorgänge vereinfacht und verständlich dargestellt. Das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver zeigt, wie der Übertragungsprozess zwischen Sender und Empfänger funktioniert und welche Störfaktoren in diesem Prozess auftreten können. Es handelt sich um ein Grundlagenmodell der Kommunikation, das sich auf den technischen Übertragungsprozess von Nachrichten konzentriert, ohne emotionale und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Für viele Kommunikationstheorien und Modelle bildet dieses Modell die Basis und wird durch menschliche Aspekte ergänz. Die Auseinandersetzung mit Kommunikationsmodellen kann nicht nur im beruflichen Kontext, sondern auch im privaten Bereich helfen, Kommunikationsprozesse zu verbessern und Missverständnisse zu reduzieren.

Stichwörter und Quellen:

(1) – Der symbolisch Interaktionismus ist eine Kommunikationswissenschaftliche Theorie, die besagt, dass Kommunikation mit Hilfe von Symbolen stattfindet.

(2) – Sozialkonstruktivistische Ansätzen besagen, dass es keine objektive Wahrheit gibt. Nach dieser Theorie gibt es nur individuelle Wahrheiten. 

Rohner, J. (2020). Psychologie der Kommunikation. Springer.

Wirtz, M. A. (Hrsg.). (2021). Dorsch – Lexikon der Psychologie. Hogrefe. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/kommunikation (Abgeruden am 08.07.2024)

 

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